Montag, 23. Juli 2012

Junger Massagepionier


Ein etwa 12 jähriger Blondschopf nähert sich unserem Massage-Pavillon und erkundigt sich nach Massageart und Preis.

Er erklärt mir, er hätte noch nie eine Massage bekommen. Dies sei die erste in seinem Leben. Aber heute sei der Tag, an dem er es sich gibt. Ich nicke, bin aber noch nicht sicher, wie ernst er es meint.

Aber er meint es ernst – sogar sehr ernst. Ich bekomme nicht nur das Geld für die Massage, auch Trinkgeld gibt mir der junge Massagepionier.

 

Kleines Wissens-Nugget:

Ein 12 jähriger Junge hat noch einen kindlichen Körper. Er befindet sich gerade am Anfang der Pupertät. Das Hormon Testosteron schießt erst in seinen Körper ein und ist dafür verantwortlich, dass sich die Muskeln sichtbar vergrößern.

Das heißt, ich mach mir ein Bild und wäge in einem kurzen Gespräch ab, ob ich die klassischen Griffe zur Entspannung einsetze oder ob er Spaß dran hätte, seine Muskeln etwas zu spüren.

Der Junge möchte beides. Also durchwirke ich behutsam Muskel für Muskel  und achte auf die Verschieblichkeit der Faszien. Die Faszie überträgt Bewegungen von Muskel zu Sehnen, Bändern oder Knochen. So wie eine Wursthülle eine Wurst umhüllt, so umhüllt die Faszie die gesamte äußere Oberfläche eines Muskels. 

Diese Wursthülle braucht verständlicherweise volle Aufmerksamkeit.

Faszien sind wie ein großes Spinnennetz. Sie schlängeln sich geschickt durch den ganzen Körper, in unterschiedlicher Dicke, hinein und hinaus aus Muskeln, zwischen den Organen und unter der Haut.

Die Wursthüllen ummanteln auch Blutgefäße und Nerven und halten sie dort, wo sie auch schön bleiben sollen.  Es ist die Faszie, die es den Nerven und Blutgefäßen ermöglicht zu rutschen und zu gleiten, wenn du dich bewegst und deine Muskeln und Gelenke aktiv sind.

Stress, ernährungsbedingte Übersäuerung und so, kann bei großen und kleinen Leuten (Cola-Generation) eine Änderung einer Faszie um einen Nerv bedeuten, dann kann die normalerweise lose, lockere Faszie, welche Nervenzellen schützt, fester und klebriger werden. Jetzt schützt sie den Nerv nicht nur, sondern nimmt ihn auch noch in Gefangenschaft. Der Nerv wird unbeweglich. Ein Auto kann auf schlammigen Straßen stecken bleiben. (Oft in Afrika erlebt. Nicht so schön.) Der Nerv kann an einem nahegelegenen Muskel, Knochen, Blutgefäß, oder sogar der Haut stecken bleiben. Dann machen wir ihm mit der Massage wieder Platz. Wir achten darauf, dass das Gewebe am Ende unserer Massage schön locker und verschieblich ist. Die Wursthülle sitzt. Der Kunde freut sich über das Geschenk von Schmerzfreiheit.

Der Junge erzählt mir, er sei trotz des Abenteuereffekts fast eingeschlafen. Eine Massage ist ziemlich anstrengend für die Muskeln, welche durchgeknetet werden und das erschöpft ein bisschen. Und dann kann ich ihm ein Lob aussprechen,  wer gut entspannen konnte bei der Massage, fährt auch runter und kommt in einen Zustand von entspanntem „Schweben“.

Ich schaue ihn aufmerksam an und denke, das ist einer von denen, die auf die Idee kommen könnten, die Massage in einen Aufsatz in der Schule ausführlich zu beschreiben.

Der Junge lächelt mich leicht rauschig an und geht nicht mehr ganz Spurgerade über die große Liegewiese, wo er irgendwo sein Handtuch ausgebreitet hat. Seine Faszien und ich sind Freunde geworden.

Wir haben wenig gesprochen und viel kommuniziert. Ich bin zufrieden oder ein bisschen mehr als das.

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